- Tasso
- Tạsso,Torquato, italienischer Dichter, * Sorrent 11. 3. 1544, ✝ Rom 25. 4. 1595; erzogen u. a. am Fürstenhof von Urbino, studierte ab 1560 Rechtswissenschaft, dann Philosophie und Beredsamkeit in Padua und Bologna. 1565 wurde er Hofkavalier des Kardinals Luigi d'Este in Ferrara, 1572 wechselte er in den Dienst von Herzog Alfonso II. d'Este von Ferrara über. Ende 1575 traten erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung auf. Aufgrund von Gewalttätigkeiten wurde er im Franziskanerkloster der Stadt isoliert, konnte aber fliehen; nach ruhelosem Wanderleben 1578 wieder in Ferrara, kam er 1579 ins Irrenhaus von Sant'Anna. Erst 1586 gestattete der Herzog dem Fürsten Vincenzo I. Gonzaga (* 1562, ✝ 1612), den Dichter mit nach Mantua zu nehmen. Tasso starb kurz vor seiner Dichterkrönung durch Papst Klemens VIII.Tassos Werk umfasst lyrische, dramatische und epische Texte sowie eine Reihe von Prosaschriften zu literarisch-poetologischen, aber auch moralphilosophischen Problemen. Die lyrischen Dichtungen begleiten seine gesamte Schaffenszeit: Ihr überliefertes Korpus besteht aus rund 1 500 Gedichten, darunter über 800 Sonette, rund 340 Madrigale, über 50 Kanzonen und 30 Balladen (»Rime«, 2 Bände, 1581-82; »Rime et prose«, 1583; »Rime spirituali«, herausgegeben 1597); sie nutzen alle Renaissancetraditionen, weisen aber schon auf die barocke Formensprache.Am Anfang des epischen Werks steht »Il Rinaldo« (1562), dessen Stoff dem Karlskreis entnommen ist. Seit 1570 arbeitete Tasso an seinem Hauptwerk »La Gerusalemme liberata« (1581, nicht autorisierte Ausgabe 1580 unter dem Titel »Il Goffredo«; deutsch u. a. als »Das befreite Jerusalem«); mit dem Kreuzzugsepos, dessen Thema in der Zeit der Türkenkriege hochaktuell war, wollte Tasso die antike Gattung aus christlicher Sicht erneuern. Die belehrende Handlung ist durch zahlreiche unterhaltsame Episoden aufgelockert, was wohl erheblich zum europäischen Erfolg des Werkes, der bis in die Romantik reichte, beitrug. Aufgrund ästhetischer und religiöser Skrupel überarbeitete Tasso das Epos: Die Neufassung »Di Gerusalemme conquistata« (1593), der unterhaltenden Elemente entkleidet, wirkt trocken und pedantisch. Auch in den anderen Epen, »Il Montoliveto« (entstanden 1589, herausgegeben 1605), über die klösterliche Einsamkeit, und »Le sette giornate del mondo creato« (entstanden 1592-94, herausgegeben 1607), einem Lehrgedicht über die Schöpfung, das dem französischen Vorbild von G. Du Bartas folgt, widmete er sich religiösen Themen. Zum Muster des barocken Schäferspiels in Europa wurde das für den Hof von Ferrara geschaffene pastorale Drama »Aminta« (Uraufführung 1573, erschienen 1580; deutsch »Comedia von der Aminta und Silva«). Von Tassos Prosaschriften sind die platonisch inspirierten »Dialoghi« (entstanden 1579-94, veröffentlicht ab 1581, erste Gesamtausgabe, 3 Bände, 1822-24) sowie die »Discorsi. .. dell'arte poetica« (1587, erweitert 1594 unter dem Titel »Discorsi del poema heroico«) zu nennen. Die etwa 1 700 erhaltenen Briefe (»Lettere familiari«, 1588; deutsch in: »Werke und Briefe«) stellen bedeutende biographische Zeugnisse dar. - Tassos Werk steht an der Schwelle zwischen Renaissance und des Barock. Seine außerordentliche Wirkung wird nicht zuletzt bezeugt durch die dichterische Auseinandersetzung mit Tassos legendarisch verklärter Gestalt. Im Mittelpunkt steht dabei der aus seiner angeblichen Liebe zu Leonora, der Schwester Herzog Alfonsos II. d'Este, resultierende Konflikt. C. Goldoni behandelte den Stoff in einem Lustspiel (»T. Tasso«, 1755). Im Anschluss an J. J. W. Heinses Tasso-Biographie (1774/75 in der Zeitschrift »Iris«) schrieb Christian Levin Sander (* 1756, ✝ 1819) die erste deutsche Tasso-Tragödie (»Golderich und Tasso«, 1778). Goethes Schauspiel »T. Tasso« (1790) verallgemeinert die Konstellation zum Konflikt zwischen Künstler und Staatsgewalt. Die folgenden lyrischen und dramatischen Werke um die Person des Dichters (u. a. von G. Byron, B. S. Ingemann und E. Raupach) lehnen sich daran an.Ausgaben: Opere, herausgegeben von G. Rosini, 33 Teile (1821-32); Le lettere, herausgegeben von C. Guasti, 5 Bände (1852-55); I dialoghi, herausgegeben von demselben, 3 Bände (1858-59); Le prose diverse, herausgegeben von demselben, 2 Bände (1875); Opere, herausgegeben von B. T. Sozzi, 2 Bände (31974, Nachdruck 1981); Teatro, herausgegeben von M. Guglielminetti (1983).Werke und Briefe, übersetzt von E. Staiger (1978).M. Pieri: T. e l'opera (Parma 1985);G. Getto: Malinconia di T. T. (Neapel 41986);G. Regn: T. T.s zykl. Liebeslyrik u. die petrarkist. Tradition (1987);A. Aurnhammer: T. T. im dt. Barock (1994);T. T. in Dtl., bearb. v. A. Aurnhammer u. a., Ausst.-Kat. Goethe-Museum, Düsseldorf (1995).Zeitschrift: Studi Tassiani (Bergamo 1951 ff.).
Universal-Lexikon. 2012.